Interview mit Timo Lippuner

Lieber Timo, erstmal herzlich willkommen in der BTV Aarau Volleyball Familie!

Da gab es einige überraschte Gesichter, nach der Bekanntgabe deines Engagements bei uns im Verein. Wie kam es zu der Entscheidung, die 1. Bundesliga in Deutschland zu verlassen und zurück in die Schweiz zu kommen, zu einem Club, der sich mehr um die Nachwuchsarbeit im Frauen Volleyball, als um Titel auf Stufe Elite bemüht?

Da haben viele Faktoren eine Rolle gespielt. Mitentscheidend waren unter anderem jedoch sicher zwei Dinge für mich:

Erstens, das Projekt vom BTV Aarau an sich, den Nachwuchsleistungssport auf eine neue Stufe zu stellen und zweitens die Leute, die dahinterstehen: Mit Giusi und Harry am Ruder sowie der breit abgestützten BTV Familie steuert das Projekt auf jeden Fall in die richtige Richtung und das ist extrem motivierend für einen Volleyballtrainer wie mich, hier einzusteigen.

Des Weiteren bin ich seit jeher immer in der Ausbildung tätig gewesen, mein oberstes Ziel war es immer, junge Spielerinnen an die Spitze zu bringen. Dies blieb auch in den Stationen im Profibereich, wo ich ebenfalls jeweils mit jungen Talenten zu tun hatte, mein Steckenpferd.  

Du verfügst über eine äusserst grosse Erfahrung als Trainer und warst 2007 bis 2019 Trainer des Frauen-Nationalteams, zuerst als Assistenztrainer, ab 2014 als Headcoach. Letztes Jahr hast du die Zeit als Nationaltrainer mit einer erfolgreichen EM-Teilnahme abgeschlossen. Jetzt verlässt du die «Volleyballbühne» und wirst mehr in den Hintergrund treten. Was genau wird deine Aufgabe sein?

Nun ich verlasse die Volleyballbühne ja nicht, sondern spiele nur ein anderes Stück oder eine andere Rolle. Als Trainer ist man grundsätzlich immer im Hintergrund, die Spielerinnen sind in den Hauptrollen zu sehen. Darin besteht auch meine Aufgabe, unsere Athletinnen auf diese Rollen vorzubereiten, denn Volleyball ist meine Passion und die will ich weitervermitteln.

Es geht also in erster Linie darum, dass wir Trainer die Athletinnen technisch, taktisch, athletisch und mental bestmöglich auf eine Profikarriere vorbereiten. Dazu sind unzählige Stunden Training und Beratung notwendig und die bedingen eine gute Planung. Durch die Zusammenarbeit mit den Sportschulen sind wir in der Lage, den Athletinnen ein hervorragendes Umfeld anbieten zu können. Nun sind wir im Trainerteam gefragt, um für jede Spielerin individuell den bestmöglichen Weg zu erstellen und sie dabei zu begleiten. Diesen Weg aufzubauen und die Zwischenetappen mit den Spielerinnen zu erreichen sehe ich als meine Hauptaufgabe.

Laura Künzler und Maja Storck haben den Schritt ins Ausland gewagt und leben ihren Traum als Profi Volleyballerinnen. Beide Athletinnen waren davor unter deiner Führung bei Sm’Aesch Pfeffingen unter Vertrag. Wie konntest du die beiden bei der Planung der internationalen Karriere unterstützen?

Ich denke, den grössten Teil dieses Schrittes haben die beiden ihrem Willen und ihrer harten Arbeit zu verdanken. Aber natürlich habe ich sie auch zu diesem Schritt ermutigt und den Weg selber vorgelebt. Als junger Schweizer Trainer hatte ich damals hartes Brot zu beissen, bis ich meinen ersten Profivertrag erhielt und weiss, worauf man alles verzichten muss. Ich habe versucht, sie auf diese Aufgabe vorzubereiten und sie so gut es ging zu beraten. Es freut mich ausserordentlich, dass beide im internationalen Volleyballgeschäft Fuss gefasst haben, das bestätigt vor allem auch, dass es trotz allen Gegenstimmen sehr wohl möglich ist, als Schweizerin Profi zu werden. Aber es geht nicht von alleine und das haben die beiden begriffen. Ich hoffe, dass noch viele ihrem Beispiel folgend werden!

Im NNV wirst du mit Talenten mit nationalem und internationalem Potenzial arbeiten und sie bei der Erreichung ihrer individuellen Ziele begleiten. Wo wird dabei dein Schwerpunkt liegen?

Die Spielerinnen müssen lernen, dass Spitzensport vor allem „eine Entscheidung“ und nicht (nur) eine Frage des Talents ist. Zudem wird die grösste Herausforderung sein, den Spielerinnen und Eltern klar zu machen, dass es ein langwieriger und harter Weg ist und nicht der kurzfristige Erfolg im Vordergrund steht. Das ist nicht immer einfach zu verstehen, da der Stellenwert von Profisport und Volleyball insbesondere in der Gesellschaft ein anderer ist: Will jemand Arzt werden ist es scheinbar völlig klar, dass es ein langes Studium und viel Erfahrung dazu braucht. Keiner erwartet einen 22jährigen Herzchirurgen.  Aber wenn ein 18jähriges Mädchen noch nicht Stamm in der NLA spielt kriegt man kalte Füsse und versteht nicht, dass auch Volleyballspielerin ein Beruf mit langer Ausbildung ist.…  

Ich glaube, dass ich durch meine internationale Erfahrung gut aufzeigen und vermitteln kann, was es für welche Stufe braucht. Zudem durfte ich bereits einige nationale und internationale Talente an die Spitze begleiten und weiss daher, dass der Weg funktionieren kann und wie der Weg zu meistern ist. Neben dem Training und Coaching sehe ich also die wichtigsten Aufgaben in der Karriereberatung und der Horizonterweiterung der Talente. Wir wollen Spielerinnen an die Spitze bringen und dafür braucht es eine ganzheitliche Betrachtungsweise. Natürlich bildet die Basis jedoch die tägliche Arbeit in der Halle. Hierfür ist es ebenso wichtig, dass wir eine gemeinsame Ausbildungsrichtlinie haben und diese konsequent verfolgen.

Der BTV Aarau hat die Vision, der grösste Volleyball Nachwuchsverein im Frauenvolleyball der Schweiz zu sein und hat in den letzten vier Jahren intensiv am Ausbau der Nachwuchsabteilung Eagles Academy gearbeitet. Mit der Anerkennung von Swiss Volley als NNV ab August 2020 ist ein weiterer wichtiger Schritt vollzogen. Wenn du in die Zukunft blickst, welche Entwicklung erhoffst du dir vom neuen Konzept NNV?

Das Konzept ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, wenn es um Ausbildung von Profis geht. Entscheidend ist jedoch, was wir damit dann in der Halle machen. In der Schweiz hatten wir schon immer sehr gute Konzepte, aber die Umsetzung entscheidet schlussendlich über den Erfolg. Dieser steht und fällt mit unserer effektiven Arbeit mit den Spielerinnen und dem kompromisslosen Weg an die Spitze. Das Konzept ermöglicht uns, die optimalen Strukturen für die Spielerinnen zu schaffen, und zwar über mehrere Jahre hinweg. Jetzt liegt es an uns, die Athletinnen darin jeden Tag zu fordern und optimal zu fördern. 

 

Foto: Andreas Geisser